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Ein Liebeslied der Karpfen: Die Wasserwelt des Freilandlabors Britz

Wasser ist Leben. Und davon gibt es jede Menge im Britzer Garten. Der zehn Hektar große See ruht dabei wie ein sanfter blauer Riese im Zentrum eines Naturparadieses. Als sei er schon immer da gewesen. Dabei ist hier alles künstlich angelegt. Die steingrauen riesigen Karpfen im Hauptsee könnten die Geschichte des Parks gut erzählen, denn sie sind von Anfang an dabei: Von der feierlichen Parkeröffnung 1985 im damals geteilten Berlin, vom Erfolg der Bundesgartenschau mit insgesamt mehr als 5,2 Millionen Besucherinnen und Besuchern. Die Karpfen würden auch von Ursula Müller erzählen, die erst als Landschaftsplanerin den Park mitgestaltete und 1988 die Geschäftsführung des von ihr mitgegründeten Freilandlabors Britz e.V. übernahm. Seit über 35 Jahren setzen sich Ursula Müller und der Verein, der das Umweltbildungszentrum im Britzer Garten betreibt, für die Förderung der Umweltbildung ein. Vielleicht würden die Karpfen auch singen, wer weiß das schon. Sie würden einstimmen in den Sound der Natur, der über dem Park liegt. Ein kräftiges Rauschen der Schilfgürtel, das Schnattern der Graugänse, die als Gäste ihre Kreise im Wasser ziehen. Dazu das Tanzen von hunderten Libellen über der Wasseroberfläche. Das Lied der Karpfen wäre auf jeden Fall ein Liebeslied an das Leben, das hier spielt. „Wir haben hier eine Vielfalt an Lebensräumen, die für einen Park so nicht üblich ist“, sagt Ursula Müller stolz. „Das hat auch mit der Größe des Parks zu tun.“

Der See ist dabei ein besonders naturnaher Lebensraum. Er wird künstlich gespeist und über Bäche und Wasserfälle mit Sauerstoff angereichert. Die Biologin Inga Böttner, die im Freilandlabor Britz für die Umweltbildung mit Schulen zuständig ist, weiß: „Unsere Gewässer spielen als Laichgewässer und Ersatzlebensraum eine wichtige Rolle.“ Über die hier beheimateten Amphibien freuen sich die beiden Frauen besonders. „Denn Amphibien haben es auf Grund der Dürre der letzten Jahre und des Verlustes von Lebensräumen besonders schwer“, so Böttner. Nicht nur Teichfrosch und Erdkröte fühlen sich hier wohl, auch die seltene Knoblauchkröte wurde gesichtet. „Ringelnatter, Wasserinsekten, Libellen“, zählt die Biologin weiter auf, „und natürlich die unzähligen Wasservögel wie den farbenfrohen Eisvogel, Teichrohrsänger, Rohrammern haben wir. Mehrere Pärchen Haubentaucher brüten hier und auch vom Rothalstaucher gab es Brutversuche.“ Neben der spannenden Tierwelt bietet der See auch eine große Vielfalt an Pflanzen: Verwunschene Buchten mit Seerosen und sogar Raritäten wie das streng geschützte Knabenkraut, eine Orchideenart, die hier zur Bundesgartenschau angepflanzt wurde. „Auch die Welt der Unterwasserpflanzen kann vom Ufer oder einer der Brücken aus gut beobachtet werden. Hier zeigen wir Kindern zum Beispiel, dass eine Blässralle kein Brot fressen muss, sondern dass sie tauchen kann, um sich pflanzliche Nahrung vom Seegrund zu holen.“

Dass das Thema Wasser als Lebensraum die Menschen begeistert, freut Ursula Müller. Die Angebote des Freilandlabors Britz erfreuen sich großer Beliebtheit. Das Umweltbildungszentrum des Freilandlabors befindet sich im südöstlichen Teil des Parks und bietet Fortbildungen für Lehrkräfte und Erzieher*innen, Naturentdeckungsstreifzüge für Kitas, grünen Unterricht für Schulgruppen, und naturkundliche Führungen für Familien und Erwachsene an – Naturerfahrung ist hier sogar für demenzkranke Menschen und ihre Angehörigen hautnah möglich. Vor allem im Sommer ist es für die Kleinsten ein Highlight, das Leben am Teich zu entdecken. Wie schwimmt ein Rückenschwimmer? Wie sehen Mückenlarven aus, wenn sie schlüpfen? Mit Becherlupen wird alles genau beobachtet. Die Größeren können bei Gewässeruntersuchungen ökologische Zusammenhänge experimentell begreifen. Manchmal geht auch die Natur auf Entdeckungsreise. Etwa wenn der Rote Amerikanische Sumpfkrebs im Park spazieren geht. „Immer im Sommer kommen die Leute und sagen uns ganz aufgeregt: Bei Ihnen vor der Tür sitzt ein Krebs“, lacht Ursula Müller. So faszinierend das kleine Scherentier auch aussieht, als invasive Art bereitet es Probleme. Um den Laich der Frösche und Fische vor dem Riesenhunger der Krebse zu schützen, werden sie regelmäßig abgefischt. In manchen Jahren wurden bis zu 17.500 Tiere aus dem See geholt.

Ob sie einen Lieblingsplatz im Park haben? Inga Böttner antwortet blitzschnell: „Der Kopfweidenpfuhl!“ Ein idyllischer Tümpel, umsäumt von kleinen kräftigen Weidenbäumen. Ursula Müller überlegt länger: „Ich möchte mich da gar nicht festlegen, denn ich finde alle Ecken im Park reizvoll.“ Und damit ist Ursula Müller nicht allein. Die Besucherinnen und Besucher lieben ihr Parkjuwel in seiner ganzen Vielfalt. Das alles würden die Karpfen erzählen, wenn sie könnten.

Autorin: Sophie Bengelsdorf