Zum Hauptinhalt springen

Der Geschmack roter Blüten - Ein Besuch im Rosenduftgarten

Begzada Alatović strahlt Wärme aus, eine ruhige, freundliche Frau, auf der Veranda hat sie selbstgemachte Limonade bereitgestellt. Der interkulturelle Garten Rosenduft, das ist für sie Heimat. Denn hier sieht es aus wie im Garten ihrer Großmutter, hier wachsen Pflanzen, die sie seit ihrer Kindheit kennt, hier streben Okraschoten, alte Bohnen- und Rosensorten der Sonne entgegen. "Ein junger Mann kam einmal zufällig vorbei, ohne zu wissen, was das für ein Ort ist, und sagte: Hier sieht es ja aus wie in Bosnien", erinnert sich Begzada Alatović.

 

 

Bosnien, auch das ist ihre Heimat. Mit 29 Jahren floh Alatović vor dem Krieg. Viele Frauen kamen mit ihr nach Berlin, traumatisiert von Gewalt, der Trennung von Familien und Ehemännern. Sie fanden Unterstützung in einer jahrelangen Therapie, lernten Deutsch, konnten Visum und Arbeitserlaubnis beantragen. "Wir erinnerten uns in der Therapie gemeinsam an schöne Dinge von zuhause, und alle sprachen voller Freude über Gartenarbeit", erklärt Begzada Alatović.

 

Die Idee entstand, einen Gemeinschaftsgarten anzulegen, in dem die Geflüchteten gärtnern und das Erlebte verarbeiten können. Über den Verein Südost Europa Kultur konnte 2006 ein Grundstück am Gleisdreieck übernommen werden - erst an der Möckernstraße, seit 2007 an der Yorckstraße. Dieser Garten bedeutete für die geflüchteten Frauen ein Stück Heimat in der Fremde, zu dem sie immer kommen konnten, ein Ort, an dem sie Selbstvertrauen, Zuversicht, Gespräche mit Schicksalsgefährtinnen und neue Freundschaften fanden. 

 

 

Inzwischen werden hier zwölf Sprachen gesprochen, von Gärtner*innen vieler Nationalitäten, die zusammen kochen und Feste feiern. Nach dem Konzept der Community Gardens ist ein Ort der Begegnung entstanden: Die Parzellen werden bepflanzt von Familien, von Geflüchteten, von Student*innen und Zugezogenen aus Portugal, Spanien oder Schweden. Für die Parzellen gibt es eine lange Warteliste.

 

Für Begzada Alatović steckt viel Wert darin, altes Wissen weiterzugeben. "Meine Großmutter machte aus Quitten ein leckeres Dessert, ich mache daraus Marmelade. Es ist eine große Freude, das den Kindern zu zeigen, die hierherkommen." Mit ihnen legen die Frauen Hochbeete an, kleben gepresste Blätter und Blüten in Herbarien und entdecken Insekten. Der Garten ist auch ein Ort des Lernens: Hier wird oft gesungen oder Theater gespielt. Und sogar der heutige König von England hat schon einmal den Garten besucht - verewigt auf einem Foto, das auf der Veranda hängt. 

 

Die Kräuterspirale ist im Sommer ein echtes Geruchserlebnis. Aus Gewürzkräutern stellen die Gärtner*innen Kräutersalz und -öl her. Sie pflanzen auch Gewächse aus anderen Ländern an, wie die alten Bohnensorten. "Die Bohnenstöcke sind typisch für Bosnien", betont Alatović. Auch die alte Rosensorte Saray (Saraydjul) hat sie 2008 aus Bosnien nach Berlin geholt. Aus ihren Blättern stellt sie neben Marmelade auch Sirup für die Šerbe (spr. Scherbe) her: Das duftige Getränk ist im Sommer sehr erfrischend. Wild wachsen hier auch Sonnenblumen, Kürbis- und Tomatensorten, Zucchini, und Kartoffeln durcheinander. "Jeder ist hier willkommen", sagt Alatović. Denn ein Garten, das ist Heimat.