Der Mann, der über Tegels Wälder wacht
Interview mit Forstamtsleiter Marc Franusch
Er ist Herr über 6.000 Hektar Wald. Marc Franusch ist Förster aus Leidenschaft und leitet das Forstamt Tegel im Norden Berlins. Wir treffen wir den Hüter der Bäume mitten im Wald zum Interview und wollen wissen: Wie geht es unseren Berliner Wäldern?
Herr Franusch, warum wird man heutzutage Förster?
Die Frage ist ja eher: Warum wird man es nicht? (lacht) Bei mir ist das ein Kindheitstraum. Obwohl ich gebürtiger Berliner bin, hatte ich früh einen Bezug zum Wald. Mich hat schon immer interessiert, was da krabbelt und kreucht. Später haben mich dann Themen wie das Ökosystem und seine Multifunktionalität interessiert, insbesondere das Zusammenspiel „Wald und Mensch“ und auch „Wald und Urbanität“. Insofern war das wirklich mein Traumberuf und ist es bis heute geblieben.
Was erfüllt Sie so in diesem Beruf?
Die Verantwortung für so dauerhafte Lebensräume und Ökosysteme. Dabei hüten wir Förster dieses extrem unverzichtbare Eigentum der Stadt: den Wald. Der gehört uns allen. Der gehört den Berlinerinnen und Berlinern. Und wir sind verantwortlich dafür, dass damit nachhaltig und zukunftsfähig umgegangen wird. Aktuell ist der Wald eher ein Sorgenkind.
Wie genau geht es unseren Wäldern?
Nicht gut. Der aktuelle Waldzustandsbericht zeigt, dass die Lage besorgniserregend ist. Es sind nur noch sechs Prozent des Baumbestandes gesund – also ohne sichtbare Schäden. Gründe hierfür sind vor allem extreme Wetterereignisse und -perioden. Wir sehen ganz klare Leidens- und Stresssymptome, die durch die extremen Hitze- und Dürreperioden seit 2018 hervorgerufen wurden. Wenn ein Baum über einen längeren Zeitraum unter Wassermangel leidet, dann haben Pilze und Insekten wegen dieser Vorschädigungen ein leichtes Spiel, den Baum weiter zu schwächen – bis hin zum Absterben
Woran sehen Sie, dass es einem Baum nicht gut geht?
Dafür gucken wir uns die Kronen der Bäume und ihre Belaubung bzw. Benadelung an. Hat er eine volle, dichte Krone oder hat er dort trockene und lichte Partien? Über ein Stichprobennetz in den Berliner Wäldern schauen wir uns jedes Jahr die gleichen Bäume an. So gewinnen wir insgesamt ein Bild vom Gesundheitszustand des Waldes.
Was können Sie als Förster dem Waldsterben entgegensetzen?
Wir als Förster versuchen in erster Linie den Wald zu stabilisieren. Zum Beispiel indem wir eine naturgemäße Waldbewirtschaftung- und pflege betreiben. Ein Ziel ist es auch, vielfältigere und strukturreichere und damit naturnahe Wälder zu schaffen. Wir haben hier immer noch viele kieferndominierte Waldpartien. Da gilt es, mehr Vielfalt reinzubringen – vor allem Laubbäume. Das streut insgesamt das Risiko und macht den Wald weniger anfällig. Was wir nicht können: Regen herzaubern oder gießen. Der Wald ist so ein komplexes Ökosystem, dass es keine schnelle Lösung gibt. Wir beobachten die Entwicklungen und sind einigermaßen sorgenvoll aufmerksam.
Wie können die Berlinerinnen und Berliner ihrem Wald helfen?
Erstmal ist Wertschätzung ganz wichtig. Das heißt auf den Wald achten, wenn ich darin unterwegs bin. Und dann gibt es so ein paar Selbstverständlichkeiten wie das Rauchverbot oder keinen Müll abzuladen. Gemeinsam müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, um Belastungen und Risiken für die Wälder durch wirksame Klimaschutzmaßnahmen zu minimieren. Klimaschutz ist Waldschutz und da kann jeder bei sich selbst anfangen.
Welche Rolle spielt der Wald beim Kampf gegen die Klimakrise?
Er hat großes Potenzial der Stadt genau dabei zu helfen. Ein ehemaliger Forstamtsleiter aus dem Grunewald hat in der Situation einmal treffend gesagt: „Wenn Berlin nicht den Wald hätte, hätten wir hier das Klima von Athen.“ Der Wald und seine Anordnung zur Stadt spielen bei der Frischluftentstehung und der Abkühlung des Berliner Stadtklimas eine zentrale Rolle. Auch für den Wasserhaushalt und die Trinkwassergewinnung ist er von zentraler Bedeutung. Diese enge Verzahnung von Berlin und Wald ist relativ beispielslos.
Eine Prognose: Wo sehen Sie den Berliner Wald in zehn Jahren?
Ich bin ein sehr optimistischer Mensch. Ich wünsche mir, dass unser Wald nicht unter den Hammer kommt. Wir brauchen Platz für Wohnungsbau und alles andere, aber der Wald sollte nicht die Reserve sein, auf die wir zurückgreifen. Ich hoffe auch, dass wir in zehn Jahren ein paar Schritte weiter sind, was den Umbau des Waldes zum Mischwald betrifft. Und dass wir mit Hilfe der Wissenschaft ein bisschen schlauer sind, welche Potentiale die einzelnen Bäume für einen Wald der Zukunft haben. Zehn Jahre sind für den Wald aber eher ein Fingerschnips.