
Foto: K. Hofmann
Wenn der Tiergarten erwacht – nachts!
Was tagsüber wie ein ruhiger Park wirkt, verwandelt sich in der Dämmerung in die Bühne eines faszinierenden Naturschauspiels: Schwärmer, Eulen und Spanner flattern durch die Dunkelheit – prachtvoll, lautlos und auf der Suche nach süßem Nektar. Ihre stromlinienförmigen Körper machen sie zu exzellenten Fliegern – oft sind sie nur als schimmernde Schatten wahrzunehmen. Was kaum jemand weiß: Nachtfalter machen 95 Prozent aller Schmetterlingsarten aus und führen ein verborgenes Leben, dabei überraschen sie mit unglaublicher Formen- und Farbenvielfalt. Jörg Freyhof, Wissenschaftler und Entomologe, gibt uns einen Einblick in die faszinierende Lebensweise, die Artenvielfalt und die ökologische Bedeutung dieser Tiere - und warum ein bisschen mehr Dunkelheit der Stadt guttun würde.

Foto: J. Freyhof

Foto: SNB/S. Jeran
„Ihre Veranstaltung trägt den Namen ‚Eulen, Schwärmer, Spanner, Bären – Nachtfalter in Berliner Parks‘ – Welche Eulen und Bären kann ich denn im Großen Tiergarten erwarten, wenn ich dabei bin?“
Was kommt, ist immer unsicher – und genau das macht es spannend. Wir haben aber beispielsweise fast immer das „Ausrufungszeichen“ (Agrotis exclamationis) dabei – eine typische Eule und Vertreterin der sogenannten Eulenfalter, die ihren Namen den charakteristischen dunklen Flecken auf den Flügeln verdankt. In Berlin können wir sicher über 200 verschiedene Eulen in Berlin ans Licht locken, welche davon an dem Termin vorbeikommen, ist eine Überraschung. Bei den „Bären“ handelt es sich natürlich nicht um Säugetiere, sondern um bestimmte Faltergruppen – besonders häufig sind Flechtenbären, und die sind fast immer mit dabei.
„Was erwartet die Teilnehmenden bei dieser nächtlichen Exkursion durch den Tiergarten?“
Wir bauen sechs Leuchtstationen im Park auf. Dort beobachten wir, wie Nachtfalter und eine Menge anderer Insekten vom Licht angezogen werden – oft auch Arten, die man sonst nie zu Gesicht bekommt. Zusätzlich nutzen wir einen Bat-Detektor, mit dem sich die Rufe jagender Fledermäuse akustisch hörbar machen und identifizieren lassen. So entsteht ein lebendiger Eindruck davon, was nachts in der Stadt los ist.

Foto: SNB/S. Jeran

Foto: SNB/S. Jeran
„Wie genau funktioniert das Anlocken von Nachtfaltern mit Licht, und warum reagieren sie darauf?“
Nachtfalter und viele andere Insekten orientieren sich nachts am natürlichen Licht, und da der Himmel heller ist als der Boden, wissen sie immer, wo oben und unten ist. Wenn sie plötzlich auf eine helle Lichtquelle wie unsere Falterlampen treffen, wird ihr Orientierungssystem kurz gestört. Die Falterlampe suggeriert dann vorbeifliegenden Faltern, dass „oben“ nun an der Seite ist – damit werden sie abgelenkt und fliegen zum Licht - häufig in diesen uns bekannten spiralartigen Bahnen. Das ermöglicht es uns, sie für kurze Zeit auf einem weißen Tuch zu beobachten.
„Was war bisher das spannendste oder ungewöhnlichste Tier, das bei einer solchen Führung entdeckt wurde?“
Aus wissenschaftlicher Sicht begegnen uns bei den Führungen im Großen Tiergarten meist eher typische Arten. Für viele Teilnehmende ist es aber oft sehr spannend und es ist jedes Mal faszinierend zu sehen, wie häufig große Arten wie der Lindenschwärmer mitten in der Stadt auftauchen. Sie sind deutlich größer als die meisten Tagfalter und wirken beinahe tropisch – ein echter Hingucker

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„Warum ist es wichtig, dass Menschen auch die nächtliche Tierwelt in der Stadt kennenlernen?“
Gute Frage….warum ist etwas wichtig? Es ist einfach faszinierend, wie viele Insekten auch in der Innenstadt, trotz Lichtverschmutzung und allen anderen Herausforderungen, doch unterwegs sind. Diese Resilienz ist beeindruckend, und sie verdient Aufmerksamkeit. Wenn wir wissen, was da draußen lebt, entwickeln wir auch mehr Bewusstsein und Verantwortung für deren Schutz. Es zeigt uns, wie reichhaltig die Stadtnatur eigentlich ist – auch nachts.
„Was fasziniert Sie persönlich an nachtaktiven Insekten?“
Ich mag die Überraschung, das Unvorhersehbare. Licht an und man weiß nie, was kommt. Diese Unvorhersehbarkeit, das stille Auftauchen aus der Dunkelheit, macht ihren Reiz aus. Es ist wie ein nächtlicher Besuch aus einer anderen Welt.
„Was benötigen die Nachtschwärmer aus Naturschutzsicht, um gut in einer Stadt wie Berlin zu leben? Was können wir Menschen tun?“
Nachtfalter lieben pestizidfreie, dunkle, vielfältige Lebensräume. Sie sind auch wichtige Bestäuber. Viele Arten sind zudem selten geworden, weil nährstoffarme Trockenrasen, lichte, alte Wälder, blütenreiche Feuchtwiesen und andere Biotope immer kleiner werden. Jeder von uns kann helfen, indem er unnötige Beleuchtung vermeidet – zum Beispiel Gartenlampen nachts ausschaltet oder auf insektenfreundliche Lichtfarben achtet. Weniger Licht bedeutet mehr Leben.
Die Veranstaltung "Eulen, Schwärmer, Spanner, Bären – Nachtfalter in Berliner Park" im Tiergarten Berlin findet am Samstag, 14.6.25 um 21:30 statt. Tickets für diese und alle anderen Veranstaltungen sind ab 19. Mai auf unserer Webseite und über unsere Hotline erhältlich.