Leben auf dem Friedhof, Sterben im Wasser
Ein Spaziergang zwischen den Welten
Friedhöfe sind Orte der Stille, des Gedenkens und der Trauer - doch gleichzeitig sind sie voller Leben. Denn die Bedingungen für Pflanzen und Tiere sind auf Berlins Ruhestätten hervorragend. Fuchs, Eichhörnchen, Fledermaus, Insekten und Amphibien können sich hier ungestört entfalten, sich ernähren und überwintern. Manfred Schubert und seine Kolleg*innen von der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz e.V. (BLN) setzen sich dafür ein, dass die Friedhöfe der Hauptstadt im Sinne des Naturschutzes gepflegt werden. Auch an Berliner Kleingewässern sind die Mitarbeitenden unterwegs - und stellen dort immer wieder besorgt fest, dass durch menschengemachte Probleme wie die Verdichtung des Bodens die Organismen im Wasser absterben. Leben auf dem Friedhof, Sterben im Wasser - ein paradoxer Gegensatz, über den Manfred Schubert behutsam und spannend berichtet. Wir haben mit ihm einen Spaziergang gemacht, über den Sie hier mehr erfahren!
Während auf Berlins Ruhestätten immer mehr pflanzliches und tierisches Leben gedeiht, geht die Artenvielfalt in den städtischen Kleingewässern zurück. Warum ist das so und welche Unterstützung bekommt die Natur an diesen Orten durch aktiven Schutz?
Manfred Schubert nimmt Sie mit auf eine faszinierende Tour und stellt beide Welten vor.
Fahles Sonnenlicht fällt durch das geöffnete Eingangstor des Evangelischen Friedhofs Karlshorst. Er ist einer von 220 Friedhöfen in Berlin. Sie sind Orte der Stille, der Trauer, des Gedenkens. Doch wandert man hier mit wachem Blick und offenen Ohren, nimmt man ganz viel Leben wahr: Es kriecht, es flattert, es summt und zwitschert!
"Viele Friedhöfe haben eine hohe kulturhistorische Bedeutung", erklärt Schubert, Geschäftsführer der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz e.V. (BLN). "Sie bieten schon seit langem einen wichtigen Rückzugsraum für Pflanzen und Tiere."
Die BLN, ein Zusammenschluss von zwölf Naturschutzverbänden, koordiniert die Arbeit von Berliner Naturschutzvereinen untereinander und gegenüber den Behörden. Manfred Schubert engagiert sich darüber hinaus auch im Stiftungsrat der Stiftung Naturschutz Berlin. 2005 hat die BLN wertvolle Umwidmungsflächen auf Berliner Friedhöfen hinsichtlich einer möglichen grünen Nachnutzung bewertet. Manfred Schubert weiß, warum sich Friedhöfe gut für den Naturschutz eignen: "Es gibt wenige versiegelte Flächen, der Regen wird nicht abgeleitet und kann problemlos versickern - das ist gut für den Boden und für das Grundwasser."
Als Stätten der Stille bieten die Friedhöfe beste Voraussetzungen für Entwicklungsmöglichkeiten der Natur: In der Nacht sind sie verschlossen, es ist ruhig, Hunde müssen an der Leine laufen oder ganz draußen bleiben. So können sich Fuchs, Eichhörnchen, Fledermaus und Igel, Insekten und Amphibien ungestört entfalten. Bei einer Untersuchung von 50 Friedhöfen im Berliner Westen wurden allein 690 wildlebende Pflanzenarten entdeckt.
Herr Schubert und seine Kolleg*innen setzen sich dafür ein, dass die Berliner Friedhofsträger die Friedhöfe im Sinne des Naturschutzes pflegen: Von der Baum- und Pflanzenpflege über Bewässerungssysteme und Straßenreinigung, Eis- und Schneebeseitigung bis hin zur nachhaltigen Pflege der Flächen. "Wir halten die Betreiber etwa dazu an, seltener die Wiesenflächen zu mähen, damit die Gräser zur Blüte kommen können. Das ist für die Insekten und ihre Überwinterungsstrategien von großer Bedeutung, da einige von ihnen beispielsweise in Pflanzenstängeln überwintern."
Neben Wiesen zählen auch Hecken und Bäume zu wichtigen Lebensräumen auf Friedhöfen. "In Baumhöhlen lassen sich Vögel und Fledermäuse nieder, die Hecken bieten kleinen Tieren wie Mäusen einen Platz zur Überwinterung und zur Winterruhe." Muss einmal ein Baum gefällt werden, bemühen sich Schubert und eine Kolleg*innen darum, dass zumindest der Stumpf stehen gelassen wird. Denn auch dieser bietet Lebensraum für Klein- und Kleinstlebewesen. Auch an die Versorgung der Friedhofsbewohner ist gedacht: In den Wasserbecken finden sich Äste, damit die Tiere zum Trinken einen erleichterten Einstieg haben, sich aber auch retten können, wenn sie ins Wasser gefallen sind.
Wo alles Leben herkommt - aus dem Wasser - schwindet es in Berliner Kleingewässern immer mehr, etwa im Lichtenberger Fennpfuhl, einem stehenden Gewässer mit versiegelten Ufern. Das Problem: Belastetes Regenwasser fließt wegen der menschlich verursachten Bodenverdichtung und -versiegelung ungefiltert aus dem Siedlungsgebiet in das Gewässer. Es ist mit Autoreifen- und Bremsabrieb, Öl, Hundekot, Laub und Müll verdreckt und hat einen starken Einfluss auf die Wasserqualität. Die Stoffe darin fördern das Algenwachstum und die Sauerstoffzehrung, lagern sich am Gewässerboden ab und haben eine toxische Wirkung auf die Organismen. "Kleine Lebewesen wie Schlammröhrenwürmer und Ruderfußkrebse sterben dann", bedauert Schubert. Es wäre eine große Verbesserung, wenn das zufließende Wasser in einem Absetz- oder Schilfbecken vorgereinigt werden würde. "Das ist aber sehr teuer und dafür gibt es meistens keinen Platz." Die Wiederbelebung der Berliner Kleingewässer - das sei ein "schwieriger, weiter Weg".